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Altes Handwerk live erleben
Der Tag beginnt sommerlich und freundlich, bis dann gegen Mittag Wolken aufkommen und die Gewitter nicht lange auf sich warten lassen. Schade, denn im lebendigen Museum Odershausen lassen sich die Mitglieder des Vereins zur Erhaltung historischer Landmaschinen und Traktoren Odershausen 1989 e.V. (so der komplette Name) zu jedem Aktionstag einiges einfallen. Vieles findet draußen statt. So eilen wir zuerst in die alte Scheune, welche die Vereinsmitarbeiter als Museumsgebäude umbauten und zu diesem Aktionstag herausgeputzt haben.
Hinein ins Museum
Wir sehen gleich am Anfang zahlreiche historische Landmaschinen. Unserer Tochter sind sie völlig fremd. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Begeistert läuft sie zwischen den alten Traktoren und deren Zubehör umher und schaut sich alles genau an. Wie wir später noch sehen werden, stehen unter dem Dachboden weitere, zahlreiche historische Gerätschaften, um die Felder in Handarbeit oder mittels Pferden zu bestellen, die noch wesentlich älter sind. Wir ahnen nur, mit welcher Mühsal die Bauern einst zu kämpfen hatten. Selbst die alten Traktoren wirken eher wie überschaubare Arbeitserleichterungen.
In der Schmiede
Hier treffen wir Kai Ulrich, der zusammen mit seinem Bruder Jens die Führungen durch das Museum begleitet. Wir vernehmen ein lautes Hämmern, als träfe Eisen auf Eisen. Kai klärte uns auf: „Das ist unser Schmied nebenan.“ Das ist interessant und so wollen wir natürlich sehen, was im Nebenraum passiert.
Mit fast meditativer Gelassenheit holt der Schmied das Eisen aus dem Feuer. Es ist weiß-glühend. Zunächst verwendet er eine Maschine, die das Stück Eisen in Form hämmert. Erst später nimmt er seinen schweren Hammer und schmiedet das Werkstück auf dem Amboss. Auch das hatte unsere Tochter noch nie gesehen. Wie gut, dass es noch solche Museen gibt.
Zu Hause bei der Urgroßmutter
Wir gehen jetzt eine Etage höher und sind entzückt von den liebevoll eingerichteten „guten Stuben“. Die Vereinsmitglieder haben allerlei Porzellan, Mobiliar und anderes Interieur gesammelt und liebevoll aufgebaut. Charlie läuft herum und würde am liebsten damit spielen. Es ist urgemütlich und Du kannst Dir genau vorstellen, welch leckere nordhessische Köstlichkeiten die Familien einst verzehrten. Wir sind wirklich begeistert. Alles passt so gut zusammen: Das Fachwerk mit den gekälkten Gefachen, der lackierte Holzdielenboden, mit Teppichläufern abgedeckt, die alten Lampen und vor allem, das Knarren bei jedem Schritt.
Flachs und Leinen – Vom Acker in die Boutique
Es gibt für uns noch so viel zu entdecken, aber jetzt kommen wir zum eigentlichen Highlight der ganzen Show: Jens Ulrich erklärt und zeigt uns den langen, beschwerlichen Weg von der Leinpflanze zum Leinenstoff.
Lein wächst sehr dicht auf den Äckern, damit die Stängel lang und gerade wachsen. Wenn die einstigen Bauern die Pflanzen ernteten, müssen sie diese aufwändig vorbereiten. Sie legten die Pflanzen zunächst über viele Tage in Wasser und trockneten sie in der Sonne.
Im weiteren Verlauf mussten sie den Flachs schlagen und brechen, damit sich die wertvollen Fasern von den Stängeln lösten. Hier im Museum erklärt uns Jens geduldig das komplexe Verfahren. Die fleißigen Vereinsmitglieder zeigen uns das Schlagen und Brechen von einst. Wie bei langen Haaren, die wild zerzaust sind, müssen sie zunächst die Fasern kämmen. Nach all der Prozedur ist der Flachs fertig. Die Akteure verarbeiten ihn jetzt zu Leinen. Aber ist das Ziel jetzt erreicht? Mitnichten. Es wartet viel Arbeit auf sie.
Die spinnen, die Frauen
Klassisch, mit historischer Rollenverteilung, übernehmen jetzt die Frauen den Job. Sie spinnen, was zwar doppeldeutig klingt, aber auf keinen Fall abwertend ist. Im Gegenteil, das Spinnen und Zwirnen von Flachsfasern ist ein anspruchsvoller Job, den die Frauen im Museum unermüdlich und geduldig erledigen. Nun sind etliche Besucher vor Ort. Wir stellen uns aber vor, dass diese Arbeit in der Spinnstube auch recht einsam ist.
Nach stundenlanger Arbeit weben die Frauen jetzt den Leinenstoff. Auch hier ist viel Geduld gefragt, bis die Kettfäden, also die längs verlaufenden Fäden in den Webstuhl angebracht sind. Dann kommt der lange Faden ins Spiel, den sie mit dem „Schiffchen“ hin und her schießen. Wir sehen kaum einen Fortschritt, denn auch der letzte Schritt zum fertigen Stoff ist ein langwieriger Prozess.
Wir sind beeindruckt, welche Arbeit dahinter steckt. Schnell wird uns klar, dass Kleidung in der Geschichte ein hohes Gut war, überhaupt nicht vergleichbar mit der heutigen Wegwerfmanier. Die eigene Kleidung diente wahrscheinlich ein Leben lang. Aller Romantik zum Trotze sehen wir aber auch, wie schwer das Leben seinerzeit war. Heutzutage selbstverständliche Güter erforderten höchsten Einsatz und bestimmten das Leben. Wir empfinden es als heilsam, sich dessen zu besinnen und darüber nachzudenken, über ein Leben ohne Elektrizität, ohne Motoren, sondern nur geprägt von körperlicher Arbeit. Nachhaltigkeit? Kein Thema, weil alles natürlichen Ursprungs war. So wohlklingend diese Gedanken sind, ist es gut, in unserer Zeit zu leben, denn für diese Plackerei sind wir einfach nicht mehr geschaffen.
Endlich Kuchen
Gedankenversunken und beeindruckt verlassen wir das Gebäude. Der Regen legt gerade eine Pause ein und der Himmel verwöhnt uns mit kurzen, warmen Sonnenstrahlen. Jetzt widmen wir uns dem Genuss und essen den Kuchen, den die Vereinsmitglieder selbst buken. Bei einer Tasse Kaffee gibt es doch nichts Schöneres, als selbstgebackenen Kuchen. Die Aktionstage sind ohnehin berühmt für die gute, traditionelle Küche. Die Besucher begehren in erster Linie die leckeren „Schepperlinge“, ein nordhessisches Traditionsgericht, das jedem schmeckt. Gut gestärkt geht es jetzt für uns nach Hause. Es setzt auch schon wieder Regen ein. Trotz des launischen Wetters sind erstaunlich viele Besucher vor Ort. Das Museum ist eben eine gute Adresse.
Unser Fazit
Ohne Zweifel, der Verein zeigt auch nach vielen Jahren, wie leidenschaftlich und betriebsam sie die Aktionstage gestalten. Du wirst von der ersten Minute an merken, wie sehr sie ihre ehrenamtliche Arbeit lieben. Das Museum bereichert unsere ländliche Gegend und zeigt uns eindrucksvoll die Wurzeln unserer modernen Gesellschaft. Wir sind der Meinung, es ist immer einen Ausflug wert. Das lebendige Museum Odershausen feiert die Aktionstage. Es ist ein Fest. Du wirst es sicherlich oft besuchen, wenn Du einmal den Weg hierher findest. Auch, oder gerade für Kinder ist das Museum interessant, gibt es doch so viele Dinge zu entdecken und viel zu lernen. Beide Daumen hoch.
Weitere Infos
Das „Lebendige Museum“ Odershausen
Wildunger Straße 3
34537 Bad Wildungen-Odershausen
info@lebendigesmuseum.de
www.lebendigesmuseum.de
Vertretungsberechtigte:
Heinrich Frese (Vorsitzender)
An der Koppe 23
34537 Bad Wildungen-Odershausen
05621 – 4497
Roland Mengel (stellvertretender Vorsitzender)
Zum Vogelsang 3
34537 Bad Wildungen-Odershausen
05621 – 962622