Finissage der gelungenen Ausstellung STILLe LEBENdig von Elizabeth Joan Clarke
Inhaltsverzeichnis
Der Weg zur Kunst
Am 11. August 2024 ging die Ausstellung STILLe LEBENdig von Elizabeth Joan Clarke mit einer feierlichen Finissage in der Wandelhalle Bad Wildungen zu Ende. Lisa Beutler, Leiterin des Kulturamts und Museumsleiterin, würdigte die Ausstellung mit einer kurzweiligen Ansprache. Sie hob hervor, wie genussvoll es war, während der Zeit zu beobachten, wie sich die Exponate stetig neu arrangierten. Eine willkommene Erfrischung, wo doch die gezeigten Darstellungen wie Gefangene in der Zeit wirken. Sie betonte die technische Seite der Arbeit mit der Aussage, der Betrachter würde erst auf den zweiten Blick erkennen, dass es sich hier ausschließlich um Fotografien handelt. In unserem Geist sind die fotorealistischen Malereien großer Meister auf historischen Bildern derart präsent, dass wir uns nur schwer von der Vorstellung lösen, keine klassische Malerei, sondern Fotokunst zu sehen. Die Künstlerin bat nach der Ansprache zu einem Rundgang.
Inspiration und Prägung
Elizabeth Joan Clarke offenbarte uns ihren Weg zur Kunst. Sie war beruflich zunächst auf einem völlig anderen Weg unterwegs und studierte Naturschutz und Landschaftsarchitektur. Zugang zur Kunst fand sie allerdings bereits im Kindesalter. Sie besuchte mit ihrer Mutter häufiger das Städel und andere Kunstmuseen, sowie Ausstellungen. Dies beflügelte ihr Verständnis und ihre Bewunderung der Werke alter Meister. Im zarten Alter von acht Jahren entdeckte sie dann schon die Leidenschaft zur Fotografie, die seitdem ihr Hobby wurde.
Die Künstler Georg Flegel, Balthasar van der Ast und Andrej Koorten, allesamt Barockkünstler, nannte sie als Quelle Ihrer Inspiration. Sie entwickelte aber ihren eigenen Stil und teilte mit, nur ein einziges Mal ein Werk von Georg Flegel nachgebaut und in Ihrer Technik nachempfunden zu haben. Zu den prägenden Personen des zeitgenössischen Kunstbetriebs nannte sie Josef Sudek, mit seinen stimmungsgeladenen, monochromen Fotografien. Ihr Schaffen nimmt die Kraft aus einem Gefäß mit inspirierenden Substanzen, die sie seit dem 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart sammelt. Sie vereint klassische Malerei mit moderner Reproduktionstechnik.
Clake schafft es mithilfe ihrer geduldigen, sinnlichen Arbeitsweise, auch in Bezug auf Lichtsetzung den barocken Charme wiederzugeben. Erdig, nebulös und trotzdem farbenfroh, sowie kontrastreich knüpft sie nahtlos an das Schaffen der Barockkunst an.
Zugeständnisse
Angesichts der Werke steht eine Frage im Raum: „Malen Sie auch?“ Die Antwort fiel kurz und knapp aus: „Nein, das kann ich nicht.“ Wozu auch? Stellen Ihre Werke doch ein in sich geschlossenes und schlüssiges Portfolio dar, das einen eigenen Stil, fernab des Mainstream manifestiert. Allerdings, so räumt sie ein, bewundere sie die großartigen Fähigkeiten historischer Maler. Sie ist betört von der Art und Weise, wie sie in fotografischer Präzision Draperien, Gläser oder Flüssigkeiten darstellten. Sie schaut ehrfürchtig auf diese Künstler hinauf.
Die Arbeit
Den Besuchern brennt es auf den Nägeln. Die Frage, die alle umtreibt: Wie macht sie das eigentlich? Gern erzählt sie, wie sie ihr Atelier aufbaute.
Das Atelier
Es ist wahrlich klein. Auf 25 m² arbeitet und sammelt sie. Hier erschafft sie ihre autarken, kleinen Welten. Im Schrank warten alte Gläser, in den Schubladen tote Schmetterlinge und jede Menge Dinge, die als Models dienen können. Ihre Kunst lebt vom Dialog mit diesen leblosen Objekten, die teils eine sepulkrale Stimmung entfalten. Doch gesellen sich zu den starren, nekrotischen Gegenständen gern Blumen aus dem eigenen Garten, Obst oder Früchte. Es entstehen Spannungen und Gegenpole, die sich nicht entladen können, da sie in der Zeit gefangen sind.
Available Light
Da die Künstlerin stets mitteilt, dass sie die Fotografien bei natürlichem Licht durch das Atelierfenster aufnimmt, ist es ihr eine Herzensangelegenheit. Je nach Tageszeit und Wetterlage entstehen somit andere Lichtstimmungen, die sie einfängt. Sie habe auch eine aufwendige, kostspielige Lichtanlage in ihrem Fundus, die sie aber nicht einsetzt, weil das Licht nicht so ästhetisch und natürlich scheint. Nun, hier brechen wir erneut einen nie endenden Streit unter Fotografen vom Zaun. Viele von ihnen sind der Meinung, Licht ist Licht und arbeiten mit künstlichen Lichtquellen, die beliebig formbar sind, ob diffus, oder gerichtet. Lichtstimmungen durch Farbtemperaturen sind hierbei kein Problem und im Resultat, siehst Du keinen Unterschied, ob natürliches, oder künstliches Licht im Spiel war. Andere wiederum behaupten, natürliches Licht habe eine andere Qualität. Es ist wohl eher eine philosophische, als eine physikalische Frage. Wir sind der Meinung, dass im Falle von Clarke ein anderer Aspekt zutage tritt: Ihre Werke zeichnen ein Bild vollendeter Planung. Jedes einzelne Element findet akribisch genau, bis ins winzigste Detail durchdacht, seinen Platz. Das Licht fällt bei allen Werken von links oben auf das Arrangement. Somit bleibt das natürliche Licht, mit all seinen unvorhersehbaren Moods das einzige, mehr oder weniger kapriziöse Element während der Aufnahme. Es liegt in der Natur des Menschen, neugierig zu sein und das Unvorhersehbare zu feiern. Im Tiefsten lieben wir den Zufall. Vielleicht ist es diese Prise Hingabe, die den Bildern einen fühlbaren, menschlichen Charakter gibt.
Arbeitsweise
Die Künstlerin gibt die Fotos zu einem Dienstleister, der sie auf „Hahnemühle Baryta-Papier“ druckt. Dies ist ein Barytpapier, das wir noch gut aus Zeiten der analogen Fotografie kennen. Barytpapier ist echtes, weißes Papier, kein Kunststoff. Die Oberfläche erhält ihren Glanz durch eine dünne Gelatineschicht. Dazwischen ist eine Schicht aus Bariumsulfat gebunden, die als strahlendes Weiß in den Lichtern zum Vorschein kommt. Bis heute gehören Barytpapiere zu den Druckpapieren mit den edelsten Oberflächen. Ganz klar: Diese Aufnahmen schreien geradezu nach einer solchen Qualität, wodurch sie umso mehr den klassischen Malereien ähneln.
Clarke betonte, dass sie ihre Bilder im Nachgang nicht bearbeitet. Das schien uns wenig schlüssig, weshalb wir nachfragten, denn sie wirken durchaus bearbeitet. Kontraste, Farbwiedergabe und Dynamik wirken nicht, wie „Out of the Camera“. Daraufhin räumte sie ein, dass der Dienstleister jene Anpassungen am Bild in Gänze vornimmt, was natürlich auch Sinn ergibt. Sie selbst erledigt keine Postproduction. Es werden auf keinen Fall Details überarbeitet.
Berührung
Wir fühlen uns wie Verschwörungstheoretiker. So wie bei den Meistern historischer Zeit, vermuten wir auch in dieser Arbeit versteckte Botschaften, Hinweise und Symbole in den Bildern. Nun, weit hergeholt ist diese Form der Schatzsuche nicht, bieten sich in diesem Kunstgenre, insbesondere bei historischem Werken unzählige Möglichkeiten.
Planung
Für das Arrangement der Objekte, sowie deren Auswahl nimmt sich Elizabeth Joan Clarke Zeit. Im Schnitt vergehen mehrere Tage bis zwei Wochen, ehe sie mit ihrer Arbeit fertig ist und nur noch auf das rechte Licht wartet. Es ist ein schöpferischer Prozess, bei dem sie nichts dem Zufall überlässt.
Impulse
Wann ist das Werk fertig und kann fotografiert werden? „Ich merke das, ich spüre, wenn alles perfekt gestaltet ist. Wenn ich jetzt weiter mache, verliert das Werk seine Qualität“, erklärte die Künstlerin. Wir fragten, ob es ein innerer Impuls sei und sie stimmte zu. Wir kennen das selbst auch bei Porträtfotografie, wenn wir plötzlich das Gefühl haben, alles zu haben und aufhören. Im Falle eines Stilllebens ist es wesentlich schwieriger, das perfekte Ende zu finden, gäbe es da nicht diesen spürbaren Impuls.
Emotionen und Symbolik
Elizabeth Joan Clarke zeigte ihre Bilder und deutete des öfteren auf versteckte Symbolik hin. Hier war ein Ring versteckt, der die Großmutter symbolisiert, dort ein jagender Vogel mit verdeckten Augen, sodass weder Jäger noch Gejagter einander sehen können. Wir sprachen sie auf die Symbolik in ihren Bildern an, aber sie entgegnete, dass sie in der Regel nicht symbolisch arbeite, vielmehr versuche sie ihre starken Emotionen in der Kunst einzufangen. Während wir die Bilder betrachten, können wir ihre Aussagen bestätigen. Die Objekte sind bereits auf den ersten Blick emotionsgetrieben und stecken voller Leidenschaft.
Konkurrenz
Das Lebenswerk von Elizabeth Joan Clarke ist in jedem Falle einzigartig. Wir wagen es nicht auszusprechen, jedoch liegt es auf der Hand: Es ist probemlos möglich, Bilder dieses Gengres computergestützt zu generieren. Hier ist der Mensch und sein Kunstverständnis gefragt. In gewisser Weise sind wir sogar dankbar für die Möglichkeiten, die jene Konkurrenz aus der Retorte bietet. Denn dadurch sind wir Menschen gezwungen, genauer hinzuschauen. Schaffende, wie auch Betrachter. Nur ein Mensch ist in der Lage, Emotionen derart bildlich darzustellen, wie Elizabeth Joan Clarke. Dort, wo das gesprochene und geschriebene Wort den Horizont erreicht und uns die Worte fehlen, beginnt ein neues Universum der Kunst. Dies zu entdecken und zu bevölkern ist die Königsdisziplin des Menschen, denn eine künstliche Intelligenz, deren Algorithmus nur aus statistischen Werten besteht, bleibt die Welt der Gefühle, der Empfindungen und Emotionen verborgen. Dazu sind wir Menschen, bei denen jeder einzelne Gedanke aus einem Gefühl entspringt von der Natur reich beschenkt.
Unser Fazit
Was sollen wir noch hinzufügen? Eigentlich nur, dass es schade ist, die Ausstellung am Ende zu begleiten. Aber die Künstlerin ist nicht aus der Welt. Sie wird sicher noch zahlreiche Ausstellungen arrangieren. Wir waren beeindruckt. Beeindruckt, wie betörend und faszinierend dieser an sich überholte Kunststil ist. Die Welt und die Anmutung des Barock, mit seltsamen Schönheitsidealen und überdrehter Gestaltung ist uns heutzutage völlig fremd. Dennoch hat Elizabeth Joan Clarke es geschafft, dieses fremde kulturelle Erbe mit eigenen Interpretationen und moderner Technik stilecht in unseren Zeitgeist zu pflanzen. Dafür danken wir ihr.
Weitere Infos
Elizabeth Joan Clake
Stilllebenfotografie
elizabeth.clarke.de
ejclarke@web.de